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Historischer Pressetext zur Ausstellung

EXPERIMENTELLE ÄSTHETIK

Herbert W. Franke (rechts) und Andy Hübner, 1954 im Fotostudio von Siemens Erlangen.

Die Arbeiten der Ausstellung sind Schöpfungen jener Richtung der gegenstandslosen Fotografie, die mit Moholy-Nagy und Man Ray begann und auf einer technischen Manipulation des Lichtes beruht. Nur durch die konsequente Verwendung von eigens entwickelten Instrumentarien der Lichtführung ist es möglich, jenes Höchstmaß an geometrischer Perfektion zu erreichen, das der Konstruktivismus für die Kunst entdeckte und durch die diese Bilder bestechen. Formal bedeutet der Übergang von Lineal und Zirkel zur Apparatur den Schritt von Kompositionen aus Geraden und Kreisen zu beliebigen exakt in sich abgestimmten Strukturen.

Die Bilder gliedern sich in solche, die bekannte Dinge in ungewohnter Sicht zeigen, und solche, die unbekannte Konfigurationen mit gewöhnlichem Licht sichtbar machen. Die Ultraaufnahmen, mit elektromagnetischer Strahlung kürzerer Wellen als jene des Lichtes gemacht, sowie die Aerogramme, die Strömungsbilder um die Gegenstände wandernder Farbteilchen sind, können als Beispiele dafür gelten, dass unsere Art des Sehens mit Licht nur eine unter vielen möglichen ist, von denen jede nur einen Teil der Wirklichkeit zeigt.

Alle diese Sichtwelten besitzen ihren eigenen grafischen Reiz. Die Licht- und Wellenformen sowie die elektronischen Bilder, die Oszillogramme, sind Kurvenkompositionen. Die Art ihrer Anordnung ist jenen Regeln verwandt, die Harmonie in der Musik erzeugen. Das realisierte Ordnungsprinzip, das man in der Mathematik Stetigkeit nennt, spielt in der Natur, besonders im Mikrokosmos, eine ähnliche Rolle wie die Symmetrie. Von einer kunsttheoretischen Warte gesehen, entspricht es dem Stil, also einer gewissen Beschränkung, der man sich freiwillig unterwirft; innerhalb der allgemeinen Stilgesetzlichkeiten, die sich am Seriencharakter der Bilder deutlich offenbaren, besteht eine nicht ausschöpfbare Vielfalt von Formvariationen, die allein der Formwillen des Gestalters dirigiert.

Einer der interessantesten Aspekte der Darstellungen ist ihre Natur als Modell einer Kunstform – Modell im naturwissenschaftlichen Sinn gebraucht als ein Objekt, das gewisse Eigenschaften der fraglichen Erscheinung aufweist und sich daher als Medium des Studiums und des Experiments erweist.

Eine wichtige Voraussetzung quantitativer Auswertung trifft bei ihnen zu: Sie lassen sich in einer Formelsprache kennzeichnen und festlegen, wie dies die Notenschrift in der Musik zuläßt.

Einer der interessantesten Aspekte der Darstellungen ist ihre Natur als Modell einer Kunstform – Modell im naturwissenschaftlichen Sinn gebraucht als ein Objekt, das gewisse Eigenschaften der fraglichen Erscheinung aufweist und sich daher als Medium des Studiums und des Experiments erweist. Eine wichtige Voraussetzung quantitativer Auswertung trifft bei ihnen zu: Sie lassen sich in einer Formelsprache kennzeichnen und festlegen, wie dies die Notenschrift in der Musik zuläßt.

Die ausgestellten Arbeiten liegen in einem Grenzbereich zwischen geometrisch wissenschaftlich bestimmter Struktur und frei gestalteter Form und werfen dadurch die Frage nach den Grenzen der Kunst auf.

Sind sie vielleicht die ersten Zeichen einer nicht-klassischen grafischen Malerei, die der Musik entspricht, da sie wie diese durch Instrumente mit Schwingungsgesetzen operiert? Einer Kunstform, die sich bisher nur deshalb nicht als Parallele zur Musik entwickeln konnte, weil sich die ästhetisch ausgerichtete Optik technisch schwerer beherrschen läßt als die ästhetisch ausgerichtete Akustik? Für die erst unser visuell eingestelltes Zeitalter reif ist, weil nun die Laboratoriumspraxis die Realisierungsmittel bereitstellt? Die Oszillogramme, Licht- und Wellenformen lösen diese Fragen nicht, aber sie zeigen, daß die Technik unserer Zeit nicht ohne tiefen Einfluß auf Belange der freien Gestaltung bleibt, ob man sie nun zur Kunst zählen möchte oder nicht.