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Interview mit einem Grenzgänger (II)

Im zweiten Teil des Interviews , das heute in w/k Zwischen Wissenschaft und Kunst veröffenlticht wird, blickt Peter Tepe mit Herbert W. Franke auf die literarischen Arbeiten, wirft aber auch einen Blick auf die Thematik, welche gesellschaftliche Aufgabe die Literatur der Zukunft spielen kann.

Herbert W. Franke mit seinem ersten SF-Werk, Der grüne Komet, in der umfangreichen Werkausgabe neu aufgelegt.

Darin erläutert Franke auch, welche Themen ihm in seiner literarischen Arbeit besonders wichtig waren. Die digitale Revolution zeichnete sich für ihn bereits sehr früh ab; hinzu kamen seine persönlichen Erfahrungen mit dem Überwachungsstaat des Dritten Reichs, die bald die große Sorge weckte, dass die durch die Digitalisierung möglich werdende Überwachung zu einem massiven Konfliktpotenzial in der menschlichen Gesellschaft heranwachsen könnte. Dieser Gedanke lässt sich als ein zentrales Leitmotiv in seinen Werken bezeichnen, das sich in zahlreichen Geschichten und Romanen in unterschiedlichen Szenarien wiederfindet. Die starke Orientierung an digitalen Technologien brachte ihm in den sechziger und siebziger Jahren von eingefleischten SF-Fans immer wieder Kritik ein: Sie meinten, Franke würde sich viel zu oft auf solche etwas abseitigen Themen wie Umweltverschmuztung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz fokussieren, statt sich auf klassische Weltraumsujets und die Begegnung mit Außerirdischen zu konzentrien. „Das“, so äußert er im Interview, „hat sich inzwischen deutlich geändert – manche sagen sogar, dass meine Romane jetzt aktueller sind als damals.“

Schon Frankes erster Roman – Der Orchideenkäfig aus dem Jahr 1962 – behandelt das Thema künstlicher Intelligenz. Sie verwirklicht für die menschlichen Wesen den Traum vom ewigen Leben. Doch dieser wird zum Alptraum: Die Menschen sind zu einer unförmigen Masse entkörpert, verkabelt und an eine Maschine angedockt, die für sie immer währendes Glücksgefühl produziert. Die künstliche Intelligenz überwacht in bester Absicht diese perfektionierte Illusionsmaschinerie, die den Menschen jedoch gänzlich entmenschlicht. All das stellt sich natürlich erst am Schluss der Handlung heraus. Die Risiken der Perfektionierung der Unterhaltungsindustrie gehören ebenfalls zu den von Franke gern aufgegriffenen Plots. Das Stichwort ist Cyberspace. Bei Franke heißt es noch Globorama in dem 1979 bei Suhrkamp erschienen Roman Sirius Transit – eine Art Raumkapsel, in der man in eine voll synthetische, dreidimensionale Wirklichkeit eintreten, sich darin wie in der richtigen Welt verhalten und sie dadurch mit gestalten kann. Das Globorama beschreibt das Spannungsfeld von Realität und Virtualität mit jenem Grenzbereich, in dem beide in der Wahrnehmung des Individuums verschmelzen. Und um die philosophische Frage: Was ist wahr? geht es in Zentrum der Milchstraße, einem Roman, der 1988 auch im Suhrkamp Verlag erschien, wahrscheinlich Frankes philosophisch tiefgründigstes Werk. Die Mönche eines Klosters im All suchen nach einer neuen Wissenschaft. Es geht bei diesem Roman darum, die etablierten Naturwissenschaften zu widerlegen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Wenn es nicht so ist, wie man es in der Schule gelernt hat, wenn es die Naturgesetze gar nicht gibt, wie ist es dann? Es ist die Inquisition 2.0, bei der nicht mehr Ketzer, sondern Naturwissenschaftler auf dem Prüfstand der Glaubens-Vertreter stehen.