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„The Orchid Cage“ bei Springer

Der Springer-Verlag hat die englische Übersetzung The Orchid Cage, ein literarisches Frühwerk von Franke aus dem Jahr 1961, veröffentlicht. Im Rahmen des Generative Art Summit Berlin wird sie anlässlich der Theater-Performance Sandfiction 4K: The Orchid Cage vorgestellt, die zentrale Motive des Romans szenisch umsetzt. Das Event am 6. Juli ist Abschluss und künstlerischer Höhepunkt des Generative Art Summit.

Dr. Christian Caron, Executive Publisher Springer: „Es ist eine außerordentlich große Ehre für den Springer-Verlag, diesen gleichermaßen frühen wie zeitlos relevanten Roman in seiner neuen englischen Übersetzung veröffentlichen zu können. Franke verwebt in diesem kurzen, eindringlichen Werk geschickt zahlreiche wissenschaftliche und philosophische Themen, und nicht zuletzt gipfelt das Werk in einer der bislang literarisch eindrucksvollsten Warnung vor technikgetriebener menschlicher Evolution und Unsterblichkeit. Als neuester Band der Springer‘schen Reihe Science and Fiction ist dieser Roman sicherlich auch eine weitere Ermutigung gerade für alle interessierten, aktiven Wissenschaftler*innen, ihre Forschung kreativ und konsequent zu extrapolieren und literarisch auszuwerten.“

Der Roman enthält, wie der Literaturwissenschaftler Prof. Hans Esselborn und bester Kenner von Frankes literarischen Werken, in seinem Nachwort betont, bereits zwei zentrale Themen, die der Autor in unterschiedlichen Sichtweisen immer wieder beleuchtete: virtuelle Weltraumabenteuer im Cyberpace in einer außerirdischen Gesellschaft und die Selbstperfektionierung der automatischen Maschinen bis zur Künstlichen Intelligenz. Warum Franke die totale Versorgung der Menschen durch solche Automaten für eine Sackgasse hielt, wird im Roman ebenfalls angedeutet. Esselborn erläutert: „weil nämlich das Prinzip der Automation selbst einen grundlegenden Fehler hat. Im Roman hat das System der Maschinen die Besucher gewähren lassen, weil es keine Daten über deren Gefährlichkeit hatte. Die Automaten haben keine Voraussicht und können immer erst nachträglich auf Ereignisse reagieren, sonst bleiben sie auf dem immer gleichen und vielleicht falschen Gleis der Aktion. ’Das Programm sah kein Eingreifen in den Oberflächenregionen vor. Die Automatik lernt nur an dem, was tatsächlich eintritt. Das Programm kann erst danach geändert werden.’ Hier wird die Notwendigkeit von Phantasie zur Bewältigung der dynamischen Wirklichkeit angedeutet.“ Gegen diese unheilvolle Sackgasse einer statischen Gesellschaft setzt Franke in vielen Werken, wie Esselborn weiter schreibt, die „schöpferische Innovation“.

Hans Esselborn während seiner Laudatio 2017 anlässlich des Kurd-Lasswitz-Sonderpreises für Frankes Lebenswerk in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar.

Diese Gedanken folgen auch Frankes übergeordnetem Weltbild: Er sah sich niemals in der Rolle des „Propheten“, denn er war überzeugt davon, dass die Zukunft grundsätzlich nicht prognostizierbar ist. Für ihn gibt es in unserem Universum den „echten“ Zufall, der, wie er es formulierte, die Welt, und damit auch das Leben in ihm mit „Innovation“ auffrischt. Dieser Zufall kann, wie uns Mathematiker beispielsweise im Turing-Test beweisen, deterministisch nicht hergeleitet werden. Diese Gedanken hat Franke in seinem Fachbuch Das P-Prinzip detailliert ausgeführt und dafür mit zellularen Automaten auch visuell-künstlerisch experimentiert. Den „echten“ Zufall hat er mit nicht-deterministischen mathematischen Zufallsgeneratoren simuliert und diese unterschiedlichen Experimente interpretiert. Auch wenn Franke also die Zukunft nicht für vorhersehbar hielt, so sah er seine Aufgabe als Autor doch darin, dem Leser im Sinn einer „literarischen Zukunftsforschung“ mögliche Modelle einer sich bereits abzeichnenden Zukunft aufzuzeigen, die ihn durch eine abenteuerliche Handlung anregen sollten, darüber nachzudenken und diese Zukunft aktiv nach den eigenen Vorstellungen mitzugestalten.

Die abenteuerlichen Handlungen hat Franke zudem mit kreativen Zukunftstechniken aufzuladen gewusst. Hans Esselborn in seinem Nachwort zur englischen Übersetzung: “Es ist unglaublich, dass sich in einem Text von 1961 so viele grundlegende neue technische Entwicklungen finden. Materiewandler mit Atommeilern auf atomarer Ebene, eine vollständig automatisierte Produktion und die totale Versorgung der Menschen durch Maschinen. Damals gab es noch keine flächendeckenden Simulationen und Hologramme wie im Roman, keine Spielkonsolen und keinen handlichen Personalcomputer für Adventurespiele mit Avataren oder ein Leben in Multiverse, wie sie hier angedeutet werden, keine Künstlichen Intelligenzen wie die kollektiv agierenden, datenverarbeitenden Würfelmaschinen“. Sie sindim Roman bis zu Ethik- und Wunscherfüllungs-Maschinen weiterentwickelt. Warum Franke dieses Konzept der totalen automatischen Versorgung der Menschen durch Technologien für eine Sackgasse hält, auch das deutet er im Roman an. Sie hat einen „grundlegenden Fehler“, wie Esselborn schreibt: „Die Automatik lernt nur an dem, was tatsächlich eintritt. Das Programm kann erst danach geändert werden. Hier wird die Notwendigkeit von Phantasie zur Bewältigung der dynamischen Wirklichkeit angedeutet. Franke zeigt in vielen Texten, dass eine schöpferische Innovation gegen die unheilvolle Sackgasse einer statischen Gesellschaft, wie sie hier beschrieben wird, nötig ist.“

 Und Frankes Lösung zur Überwindung der ungeheuren Entfernung zu anderen Himmelskörpern ist eine 1961 vorweg genommene Alternative zum ‚Beamen’ in der Serie „Raumschiff Enterprise“. Der Autor versucht dafür eine plausible Erklärung auf wissenschaftlicher Basis zu geben. Heute würde man das die virtuelle Reise mittels Entanglement der Quantenwelt nennen. Franke, der promovierte theoretische Physiker, erklärt seine technische Lösung für die Möglichkeit, als virtueller Avatar zeitlos durch den Raum reisen zu können, als bloße Übermittlung von Information ohne Materie- und ohne Energieübertragung. Offen bleibt dabei allerdings, wie diese Umwandlung von Materie in pure Information und wieder zurück technisch ermöglicht wird.

alle Fotos: Hartmut Hientzsch

Die spannende wie bitterböse Parabel auf die Evolution des Menschen in einer hoch technologisierten Entertainment-Gesellschaft im Cyberspace hat die Künstlergruppe Kaleidolux nun mit Sandfiction 4K: The Orchid Cage für den Generative Art Summit in eine faszinierende Theater-Performance umgesetzt. Die einführenden Worte wird Dietmar Dath geben, heute ein „Großer“ der deutschsprachigen SF, der auch das Vorwort zur Springer-Ausgabe schrieb. Die Akteure zaubern eine bedrohliche Zukunftswelt auf die Bühne, die in einer gerichtlichen Auseinandersetzung gipfelt, in der sich die vandalierenden Erdenbürger auf ihrer extragalaktischen Entertainmentreise vor einem Richter vor Ort verantworten müssen, der „Maschine“. Sie kontrolliert eine Welt, die ehedem von offensichtlich hochentwickelten, aber scheinbar ausgestorbenen menschenähnlichen Wesen bewohnt war. Die „Maschine“ würden wir heute als „Künstliche Intelligenz“ bezeichnen. Sie zieht die virtuellen Cyber-Gamer für ihr Handeln in einer fernen Welt zur Verantwortung und verurteilt sie zu Tode, was aber letztlich für die Akteure, die ja nur Duplikate sind, keine große Rolle spielt. Zuletzt offenbart „die Maschine“ noch ein überraschendes Geheimnis über die scheinbar ausgestorbenen Lebewesen des Planeten, jene autonome Intelligenz, die von diesen Bewohnern einst erschaffen worden war …

Wir schließen mit den Worten Dietmar Daths zum Einstieg seines launischen Vorwortes zu The Orchid Cage: „Dieses einzigartige Buch verbindet auf paradoxe Weise die Dringlichkeit des prophetischen Schreckens mit der ruhigen Nüchternheit wahrer Weisheit.“