Ausstellungs-Eröffnung im ZKM
Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe feiert einen runden Geburtstag – und sich selbst. Just am gleichen Tag, an dem das KIT, das Karlsruher Institut für Technologie, mit anderen Hochschulen der Republik im fernen Berlin zur Exzellenz-Universität ernannt wurde, eröffnete das ZKM eine gewaltige Werkschau mit dem Titel Writing the History of the Future. Sie zeigt Arbeiten der ZKM-eigenen Sammlung und gibt Einblick in die Geschichte einer Kunstrichtung, die zwar bis heute um Anerkennung am Kunstmarkt ringt, dennoch Avantguardisten aus der ganzen Welt schon seit Jahrzehnten zu kreativem Schaffen inspiriert. Diese Kunstform ist nicht nur abhängig von fragilen Technologien, die reparaturanfällig sind, sie erfordert vom Künstler auch bei der Konzeption – sonst bei Kunstschaffenden unüblich – erhebliches technologisches Wissen. Insofern ist der Standort Karlsruhe für ein Museum solch alternativer Künste im Spannungsfeld von Kunst und Technik geradezu programmatisch: In Karlsruhe, wo vor gut fünfzig Jahren die Technische Hochschule, das heutige KIT, entstand, wurde – wenn auch gegen manchen Widerstand aus Politik und Bevölkerung, der heute längst vergessen ist – vor dreißig Jahren das ZKM gegründet. Jetzt bewirbt sich die Stadt als erste deutsche Teilnehmerin sogar um den Titel einer UNESCO Creative City of Media Arts und will in den illustren Zirkel von derzeit weltweit nur 14 Städten dieser Kategorie aufgenommen werden. Die Chancen dafür stehen gut – und die Jubiläums-Ausstellung setzt dafür auch ein Ausrufungszeichen. Auf einer Ausstellungsfläche von mehr als 6000 Quadratmetern präsentieren ZKM-Vorstand Peter Weibel sowie Sammlungs-Chefin Margit Rosen eine attraktive Schau dieser Künste in all ihrer Vielfältigkeit.
Was Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Fotoapparat begann, hat – wie der Philosoph und Kulturkritiker Walter Benjamin schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts prognostizierte – den „Gesamtcharakter der Kunst verändert“. Dem Fotogerät hat sich längst ein ganzes Arsenal von Maschinen hinzu gesellt: Filmkameras, TV-Apparate, Videorekorder, Computer samt der für ihren Betrieb heute erforderlichen, bunt schillernden digitalen Software bis hin zum Internet – Hard- und Software also, die das Bild unserer modernen Gesellschaft prägen, sind inzwischen nicht nur vom Militär, sondern auch von den schönen Künsten umfänglich okkupiert worden. Sie nutzen all das Werkzeug kreativ für kinetische und interaktive Kunst, für Sound Art, visuelle Poesie und mediale Kunstformen in allen möglichen sonstigen Schattierungen, für die es aufgrund ihrer großen Heterogenität bis heute keine kunsthistorisch allgemein gültige Klassifizierung gibt. Sie zu finden, halten manche Kunsttheoretiker angesichts der Fülle von multimedial Möglichem für theoretisch nicht mehr fassbar, eine Auffassung übrigens, der Peter Weibel in seiner Festrede zur Eröffnung vehement widerspricht. Es gibt, so zitiert er den Psychologen Kurt Lewin, „nichts praktischeres als eine gute Theorie“. Und in der Tat: Wer eine Ausstellung dieser Dimension plant, braucht für die Auswahl der Objekte aus einem so großen Bestand eine grundlegende theoretische Abstraktion, sonst kommt er nie zum Ziel. Ob die notwendigerweise auf Dauer Bestand haben muss, bleibt indessen ungewiss. Denn es ist immer schwierig die Struktur eines Stromes zu erkennen, wenn man gerade mitten in ihm schwimmt. So schreibt das ZKM zwar mit der Ausstellung bereits an der neuesten Geschichte dieser Kunst-Zukunft mit, und einige Trendlinien zeichnen sich jetzt schon vage ab, aber es wird noch dauern, ehe sich eine kunsthistorisch gültige Genealogie von Stilrichtungen der maschinengetriebenen Kunst herauskristallisiert, die mit der künstlerischen Fotografie begann und inzwischen bis zum Einsatz künstlicher Intelligenz reicht.
Herbert W. Franke, links in der Ausstellung vor seinem ersten digitalen Werk Quadrate in der Serigrafie aus dem Jahr 1969 zu sehen, schrieb als Künstler, aber auch als reger Publizist dieser Kunstform schon im Jahr 1957: „Für mich ist es ganz gleichgültig, mit welchem Material ein Künstler arbeitet: mit dem Pinsel, der Spritzpistole oder auch dem mathematischen Kalkulus.“ Franke erkannte bereits früh die zahlreichen Möglichkeiten, die sich mit der multimedialen Kunst eröffnen. Schon Mitte der sechziger Jahre betonte er, dass es ihm als Künstler nicht darum ginge, statische Bilder zu produzieren, die man an die Wand hängen kann. Der Computer sollte neue Ausdrucksmöglichkeiten schaffen und beispielsweise für dynamische oder auch interaktive Werke genutzt werden, bei denen der Künstler oder auch die Betrachter eingreifen können. So ist in der multimedialen Kunst aus dem bisher passiven Rezipienten inzwischen ein aktiver Teilnehmer am Gestaltungsprozess geworden. In der Ausstellung kann man sich davon in zahlreichen Beispielen inspirieren lassen und selbst zu einem relevanten Teil des Kunstwerkes werden.
Anlässlich der Ausstellunseröffnung zeigte Laurent Mignonneau Herbert W. Franke den Life Writer, eine zusammen mit der Künstlerin Christa Sommerer 2006 entwickelte und von ihm selbst gebaute Schreibmaschine mit unsichtbarem, digital gesteuerten Innenleben. Dank der verborgenen Algorithmen lassen sich durch Tastendruck nicht nur Texte schreiben, denn die Buchstaben verwandeln sich auf dem – zu verschiedenen insektenartigen Wesen in einer zweidimensionalen Welt, die sich von Buchstaben ernähren können. Manche Arten fressen sogar andere Mitglieder der Sozietät. Sie sind unter bestimmten Bedingungen sogar fähig, sich zu vermehren. Über die sich so entwickelnden Generationen hinweg passen sie ihr Verhalten der Situation in ihrem Lebensraum an.