DOS-Programme Zellulare Automaten (ab 1992)
Auf der Suche nach den einfachsten Möglichkeiten, die universale Entwicklung der Welt zu simulieren, hat sich Franke schon in den siebziger Jahren mit den Überlegungen Konrad Zuses zum „Rechnenden Raum“ (1969) sowie mit den Arbeiten von John Horton Convay und seinem „Spiel des Lebens“ (1970) befasst. Die in den neunziger Jahren daraus hervor gegangene Werkgruppe Zellulare Automaten wurde jedoch vor allem von den theoretischen Arbeiten Stephen Wolframs beeinflusst und bestimmt.
Wolfram hatte in den achtziger Jahren die mathematische Theorie sogenannter „eindimensionaler Automaten“ entwickelt. Damit lässt sich die Evolution abstrakter Weltmodelle in einer Dimension, nämlich der zeitlichen verfolgen – und visuell darstellen. Dabei wird der dreidimensionale Raum der „Welt“ quasi auf einen „Punkt“ reduziert, der sich dann über die Dimension der Zeit entwickelt und dabei zu einem Muster führt. Diese Strukturen werden dabei von zwei unterschiedlichen Parametern bestimmt. Die Anfangsbedingungen der „Welt“: Hier lässt sich die Anzahl der „Elemente“ festlegen, aus denen die „Welt“ entsteht, ebenso die Position innerhalb der „Welt“. Franke experimentierte beispielsweise mit 3, 7 oder 10 solcher Elemente – und positionierte sie in einer bestimmten Anfangsstruktur beim „Urknall“ des Universums.
Die Gesetze der „Welt“: Zudem kann man die Gesetzmäßigkeiten definieren, mit denen Elemente, wenn sie sich „berühren“ wechselwirken. Das können mehr oder weniger sein. In unserer Welt entspricht das den physikalischen Wechselwirkungen auf Quantenebene mit der Frage, ob es so etwas wie eine Weltformel gibt – dann würde sich alles auf eine einzige Gesetzmäßigkeit reduzieren – oder ob es in unserer Welt doch mehrere grundlegende Gesetzmäßigkeiten gibt. Es könnte aber auch Gesetze geben, die sich im Lauf der Entwicklung verändern und somit ebenfalls einer zeitlichen Entwicklung unterliegen.
Mit diesen beiden programmierten Parametern – den Anfangsbedingungen sowie den als Algorithmen fassbaren Gesetzen – kann man dann die Evolution der „Welt“ verfolgen. Abhängig von den Vorgaben kommt es in der zeitlichen Abfolge zu unterschiedlichen Visualisierungen, wobei im Zellularen Automaten die „Welt“ berechnet wird – in Abhängigkeit der herrschenden. Die dabei entstehenden Muster, die die Strukturbildung im Universum abstrakt abbilden, werden ausschließlich durch die beiden Parameter für Anfangsbedingungen und Gesetze bestimmt – und zeigen damit ein vereinfachtes, gänzlich abstraktes Modell des Universums.
Soweit das deterministische Weltmodell zellularer Automaten von Stephen Wolfram.
Für den theoretischen Physiker Franke, der sich in den dreißiger Jahren während seines Studiums auch intensiv mit der damals ganz neuen Quantenmechanik auseinandersetzte, sind jedoch Zufallseinflüsse ein interessantes Feld, das über den Ansatz eines deterministischen Weltmodells hinausreicht. Überzeugt, dass es den „echten Zufall“ in unserer Welt gibt, hat sich Franke daher seit 1992 damit befasst, welche Konsequenzen es hat, wenn man in das deterministische Weltmodell Zellularer Automaten Zufallseinflüsse unterschiedlicher Art einsetzt. In zahlreichen Visualisierungen hat Herbert W. Franke mit solchen dynamisch wachsenden Weltmodellen experimentiert, in die er nur am Anfang oder auch während der laufenden Entwicklung mehr oder weniger häufig Zufall „eingestreut“ hat. Wichtige Ergebnisse seiner Versuche: Steuert man diese „Welt“ mit konstanten Gesetzen, die sich im Lauf der Entwicklung nicht ändern, dann kommen diese Strukturen früher oder später in den Zustand der Erstarrung, die Entwicklung der „Welt“ bleibt also stehen. Stört man den Ablauf jedoch durch einzelne, zufällig in die „Welt“ gesetzte Zufallszahlen, die die am Anfang postulierten Gesetzmäßigkeiten verändern, bilden sich in den Ablaufbildern komplexer werdende Gestalten, die bis zu „organischen Strukturen“ führen können.
Für Franke ist das Zufallsprinzip in der Entwicklung unserer Welt ein maßgeblicher Trigger für die zunehmende Komplexität, wobei er zu jenen Philosophen zählt, die sich für den „echten“ Zufall und nicht für ein deterministisches Weltbild aussprechen, bei dem auch die nur „scheinbaren“ Zufallskomponenten bereits durch die Anfangsbedingungen gesetzt sind, also nur einen „Pseudo-Zufall“ darstellen, aber so komplex sind, dass sie sich unserer Erfassbarkeit entziehen. Wissenschaftlich ist heute nicht zu klären, ob es diesen „echten Zufall“ in unserer Wirklichkeit tatsächlich gibt, der unabhängig von den Anfangsbedingungen in unsere Welt eingreifen und sie so unvorhersehbar verändern kann.
Auf der Grundlage dieser visuell-experimentellen Arbeiten hat Franke ein philosophisches Sachbuch über die Strukturierungsmodelle der Welt geschrieben, Das P-Prinzip, im Insel-Verlag erschienen, wobei „P“ für Programm steht. Er beschreibt darin unter anderem die Konsequenzen, die es hat, wenn unser Universum aus einem Programm besteht, in dem sich die Gesetzmäßigkeiten in der Evolution der Strukturen verändern würden, d.h. bei denen sich die Naturgesetze durch Zufallsprozesse während der Entwicklung verändern. Neben diesem Sachbuch hat Franke diese Gedanken auch in einem seiner Science-Fiction-Romane – Zentrum der Milchstraße – thematisiert.
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Serie Phantastische Welten