Zum Inhalt springen
Startseite » Digitalisierung historischer Audio Tapes

Digitalisierung historischer Audio Tapes

Der Geschichtenerzähler – Erinnerungen meines Lebens mit Herbert W. Franke

Herberts letztes Diktiergerät.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ein längeres Manuskript zweimal abgetippt wurde, auch in jenen Zeiten nicht, als die Schreibkräfte schon am Computer tippten und so dann Korrekturen leichter möglich waren. Auch später blieb der erste Entwurf meist der einzige. Die nachträgliche Perfektionierung seiner literarischen Werke wollte er nicht. Er sah sich als Autor, der einem virtuellen Zuhörer in einer Parallelwelt eine Geschichte erzählt. Seine Texte waren ganz bewusst der gesprochenen Sprache nachempfunden. Sprache war für Herbert in seiner Literatur keine Kunstform, sondern ausschließlich das Mittel zur möglichst eineindeutigen Kommunikation. Es sollte möglichst unmissverständlich die Gedanken des Erzählers wiedergeben. Alles sollte schlicht und formal eindeutig ausgedrückt sein, um das zugrundeliegende Modell des Romans gut zu erkennen. Die Mehrdeutigkeit war dennoch ein ganz bewusster Bestandteil seiner Werke, die aber gerade nicht in Wortwahl oder Satzbau zum Ausdruck kommen sollte, sondern in der Kontext-Deutung des vorgestellten Zukunftsmodells. Auch Personen waren für ihn daher weniger Individuen mit einem aufwändig ausgebreiteten emotionalen Innenleben. Es waren vielmehr Figuren, die sich in der Zukunft ebenfalls modellhaft verhalten. Die gelegentlich geäußerte Kritik, seine Personen seien sperrig und hätten keine Seele, war eigentlich genau das, was Herbert beabsichtigt hatte. Jeder Leser sollte dieses Innenleben an den eigenen Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen spiegeln. Ich erinnere mich, dass bei einem Stück einmal das Ansinnen aufkam, doch genauer auszubreiten, dass Person A mit Person B eine emotionale Beziehung aufbaut. Herbert hat das zurückgewiesen. Diese Gefühlswelt schwinge zwischen den Zeilen im Text doch mit, und jeder könne sich das selbst dazu denken, war seine Antwort.

Herbert vor seinem Kaktushaus im Jahr 1975.

Geschwindigkeit im Arbeitsprozess war für jemanden, der so überbordende Kreativität besaß und diese auch auf die Straße bringen wollte, von größter Bedeutung. Sicher führte sie ihn auch zur maschinellen Kunst („kein Maler kann so viele Bilder manuell generieren und dann daraus die besten auswählen“), wenn auch dieser Aspekt sicherlich nicht der zentrale Punkt für ihn war, sich der Computerkunst zuzuwenden. Noch wichtiger blieb für ihn, dass er überzeugt davon war, Kunst und Technik seien die beiden Seiten des menschlichen Wesens und gehörten daher zusammen. Deshalb sollten oder zumindest könnten Künstler im heute auch Technik von heute einsetzen. Herbert wollte kein Diktat von High Tech für die Kunst, sondern sprach sich stets für die Freiheit des Kunstschaffenden aus, der oder die darüber zu entscheiden habe, welche Mittel er oder sie nutzen wollte – aber das gleiche Recht forderte er natürlich für sich selbst und alle seine Freunde in der generativen Community – wie auch für sich als Science-Fiction-Autor, der über die Konflikte schreiben wollte, die den Menschen und die durch Wissenschaft und Technik fort entwickelte Gesellschaft betreffen. 

Doch zurück zum Diktieren: Ursprünglich gab es rund 30 Magnetband-Spulen für große Tonbänder, die Herbert in den 1950er bis 1970er Jahre für seine Aufzeichnungen immer wieder überspielte. Diese Bänder haben wir leider bei einer Entrümpelungs-Aktion vor 20 Jahren komplett weggeschissen. In den 1980er Jahren ist Herbert dann auf kleinere Diktiergeräte umgestiegen, die mit Kassetten arbeiteten. Auch davon sind etliche entsorgt worden. Hier im Stiftungs-Archiv sind nur noch fünf dieser Kassetten, di bei diesen Räumungsaktionen büersehen wurden. Einige weitere Tapes lagern – jedoch noch nicht digitalisiert – im Archiv Herbert W. Franke des ZKM | Zentrum für Kunst und Technologie Karlsruhe.