Das erste digitale Computerprogramm von HWF
Das Programm Quadrate entstand erstmals 1967 an einem Rechner des Typs IBM 1130 mit der Programmiersprache Fortran. Das System, ab 1967 von der TU München für das Max-Planck-Institut für Psychiatrie zum Einsatz in der Hirnforschung entwickelt und aufgebaut, wurde unter anderem über ein Interface mit einem Plotter ausgerüstet. Projektleiter am MPI war Prof. Dr. Otto D. Creutzfeldt, für die Informationstechnik verantwortlich war Dr.-Ing. Georg Färber, damals wissenschaftlicher Assistent am Institut für Nachrichtentechnik der TU München und dort später viele Jahrzehnte Ordinarius für Realzeit-Computersysteme. Er ermöglichte Franke die Nutzung der in Aufbau befindlichen Anlage für künstlerische Versuche und schrieb auch den Code in Fortran.
Frankes Basiskonzept für Quadrate war einfach: Es sollten Bilder mit Quadraten in drei Ebenen generiert werden. Verteilung, Größe und Anzahl der Quadrate wurde für jede Ebene unabhängig durch einen Pseudo-Zufallsgenerator innerhalb eines vorher festgelegten Größenrasters bestimmt. Der genutzte, noch relativ einfache Pseudo-Zufallsgenerator wurde in der 1130-Fortran-Bibliothek angeboten. Franke war schon bei der Entwicklung seiner ersten digitalen Computergrafik fasziniert von den Möglichkeiten des kreativen Zusammenspiels mathematisch basierter Strukturen mit Zufallsgeneratoren aus dem Computer. Es wurde zu einem „Leitmotiv“ seines Schaffens als bildender Künstler, das er später auch für seine teils interaktiven und bewegten Programme an PCs nutzte. Die Zahl der Elemente jeder der drei Gruppen richtete sich dabei nach den neuesten Erkenntnissen der Informationsästhetik. Aus ihr geht hervor, welcher Gruppe der größte Aufmerksamkeitswert zuzusprechen ist: nämlich jener, mit wenigen großen Elementen. Als vorherrschendes Element des Bildes werden jedoch die Elemente mittlerer Größe empfunden. Die kleinsten Elemente dagegen bilden gewissermaßen den Hintergrund und werden am wenigsten wahrgenommen.
Die drei Schichten des Programms wurden im originalen Plotter in schwarz-weiß oder mit sehr begrenzter Farbauswahl nacheinander in rot-blau-schwarz übereinander gezeichnet.
1970: DieQuadrate als Siebdruck auf der Biennale Venedig
1969 kam die Werkstatt-Edition Kroll auf Franke zu und wollte eine Serigraphie unterschiedlicher Arbeiten auflegen. Für die Serigraphie aus acht Blättern sollte auch eine Grafik des Programms Quadrate aufgenommen werden – und zwar als einziges Farbmotiv. Dafür wurde das Programm Quadrate 1969 auf einem Siemens 4004 etwas erweitert. Ein zufällig mit Quadraten gefülltes Teilraster für jede Ebene wurde anschließend mit einem Algorithmus über die Seite in unterschiedlichen Orientierungen überlagert. Franke entschloss sich zudem, für diese Serigraphie eine eigene Farbkomposition der drei Layer auszuwählen, die sich nicht an den stark eingeschränkten Möglichkeiten des genutzten Plotters orientierte, sondern auf das gesamte Farbspektrum analoger Druckverfahren zurückgriff. Er entschied sich für eine Neon-Farbstimmung in orange-pink-schwarz. 1970 gelang es der Werkstatt-Edition Kroll sogar, die Serigraphie auf der Biennale in Venedig im Deutschen Pavillon zu platzieren. Rechts und unten die weiteren sieben weiteren Motive der Biennale-Serigraphie aus den Werkgruppen Analogrechner aus den 1950er Jahren (Serien Oszillogramme und Tanz der Elektronen) sowie 2 Motive aus der zweiten digitalen Serie KAES von 1969.
2011 rekonstruierte das ZKM Karlsruhe den leider verschollenen Original-Code in Teilen.